Titanic – Das Schiff der Träume

 

Es war ein Mittwoch. Ich schlug die Zeitung auf. Auf der Titelseite der Zeitung war es abgebildet....das Schiff der Träume ! Ich hatte schon viel über die sie gehört und auch sehr viel gelesen und jetzt war sie endlich fertig – die Titanic ! Ein leichtes grinsen machte sich in meinem Gesicht breit und meine Augen müssen gestrahlt haben. Ich nahm den letzten Schluck Kaffee, der an diesem Morgen sehr bitter war, stellte den Becher zurück auf den Tisch und ging in meine Kammer. Mein erster Blick ging in die Richtung des Fensters....es war ein ziemlich verregneter Tag für einen April Morgen.

Die schwarzen Krähen

„Irgendwo muss es doch sein“ ...in der nächsten Minute steckte ich meinen Kopf bereits in die Sitzbank um nach meinem Buch zu suchen. Ich konnte es nicht finden. Es war ein kleines graues Büchlein, selbst gebastelt, in dem ich die Adressen meiner Freunde aufhob. Zusammen mit kleinen Bildern, die ich von ihnen malte und Erinerrung. Das Buch war das einzige, was mir lieb und wichtig war. Dann endlich....unter meiner alten Schürze fand ich es. Ich wickelte es in ein Tuch, setze meine Haube auf, legte meine Decke um und machte mich auf dem Weg in die Stadt. Auf dem Markt rannte ich eine ältere Dame mit einem kleinen Kind um, die gerade Tauben fütterten. Aber ich hatte es nun mal sehr eilig. Plötzlich blieb ich stehen. Mitten auf einem großen Platz umkreisten mich zich Kutschen mit Pferden, die riesig schienen. Vor den Pferden hatte ich keine Angst. Als ich noch mit meinem Eltern am Ring of Kerry lebte, hatten wir auch sehr viele Pferde. Durch die Konfrontation mit Nord Irland verlor mein Vater sein Land und floh nach Deutschland. Meine Mutter starb als ich noch klein war,  somit kehrte ich meinem geliebten Eiré den Rücken und zog nach England. Nein, nicht die Pferde machten mir Angst, sondern die Leute in den Kutschen. Ihre Augen so Hasserfüllt und Arrogant, ihre Kleidung wie von Maschinen gefertigt.
„Hey Miss, machen sie den Weg frei“ schrie der Kutscher. „Verzeihung, ich habe es eilig“ antwortete ich und machte mich wieder auf den weg. Viel zu oft denke ich über die Vergangenheit nach und über Menschen, die ich treffe. Ich würde schon sagen, das ich eine kleine Träumerin bin.
"Ein Gespräch in Zone 11 bitte“. Endlich war ich angekommen. In der Stadt gab es einen kleinen Laden, in dem man für sehr wenig Geld telefonieren kann. Und meine Idee, die ich heute morgen hatte, musste ich doch gleich überbringen und verkünden. „Nummer 3 ist frei“ sagte der Herr zu mir. „Verbinden sie mich bitte mit Miss Miller, 42nd Street, Hamdalle“ Es klingelte. Wieder strahlte ich über das ganze Gesicht, als sich Anke am Telefon meldete. Sie war selbst erst vor einiger Zeit nach England geflohen und konnte sich hier ebenfalls nicht richtig einleben. Ich erzählte Ihr von dem Artikel und dem wunderschönen Foto in der Zeitung. „Anke“, sagte ich, „du weißt doch was uns der Marktschreier am Pier über Amerika erzählt hat oder? Meinst du nicht, wir sollten es riskieren? Wir verschwinden einfach, alles was uns lieb ist, verstauen wir in einem kleinen Koffer....ein ganz neues Leben, in Amerika !! Was hälst du davon ?“ Stille. Anke sagte kein Wort. „Anke ?“ „Ja, ich bin noch dran. Warte einen Moment“. Wieder war es still. Ich schwenkte meinen Blick in Richtung Pier, den man von dort aus besichtigen konnte. Wie im Nebel, sah ich, wie 2 Schwarze Krähen an mir vorbei flogen und den Pier ansteuerten. Für kurze Zeit spürte ich ein Zucken in meinem ganzen Körper. „Lowe? Bist Du noch da ?“ Ich schwenkte kurz meinen Kopf zurück und brachte ein leises „Ehhm ja“ raus. „Okay, wir machen´s ! Lass uns unser Glück probieren, ich bin bereit!“ Hatte sie das wirklich gerade gesagt ? Ich und eine meiner besten Freundinnen sollten also Tatsächlich mit dem Schiff der Träume ins neue Leben segeln ? Wir machten einen Treffpunkt zur weiteren Planung aus. Am Freitag Abend würde ein Fest in London stattfinden, zu dem alle gehobene Familien, Earls und „Bluter“ fahren würden. Bluter nannten wir die Reichen, die nur in sich selbst verliebt waren und voller Hass waren. Die Familie für die ich arbeite, ist ebenfalls Reich. Doch sie waren keine Bluter und ausserdem sehr nett zu mir. Vor  Mr. Fehilly, dem Herr des Hauses, hatte ich etwas Angst. Oft war er sehr gestresst und auch sehr geizig was Geld anging. Seine Frau, Mrs. Madleine wie ich sie nennen durfte, war früher eine normal bürgerliche Frau. Daher war sie sehr gut zu mir, ebenso wie ihre Tochter Nora. Mrs. Madleine kam eines Abends in meine Kammer und berichtete mir von dem Fest in London und sagte bereits, das ich sie und ihre Familie dorthin begleiten würde. Also machte ich mit Anke einen Treffpunkt in Soho aus.

„Okay, also abgemacht“ verabschiedete ich mich von Anke, legte dem Herrn ein paar Pence auf den Tisch und machte mich auf den weg zurück ins Haus der Fehillys. Ich lies es mir nicht nehmen, einen kleinen Umweg über den Hafen zu machen. Es hätte ja sein könne, das die Titanic bereits im Hafen lag. Am Hofladen kaufte ich noch schnell einen Kohlkopf und schlenderte so die Lexington Road hinunter. Ich lief den ganzen Hafen rauf und runter, konnte sie aber nirgends erblicken. Ich setze mich auf einen Stein und machte mir ein Blatt von dem Kohlkopf ab, der eigentlich fürs Mittagsessen gedacht war. Ich erschrak. Wie aus dem nichts, schreckte eine ganze Horde schwarzer Krähen auf und kreisten um den Anleger. Ich saß da, wie versteinert. Waren es etwa die selben Krähen, die ich während der Telefonates mit Anke bereits sah ? „Miss, ist alles in Ordnung mit Ihnen ?“, fragte mich ein Fischer. „Ja, ich habe nur die Krähen am Anlieger beobachtet“ antwortete ich ihm. Der Mann schaute etwas verwirrt und sagte „Welche Krähen?“. Ich sah ihn mit einem leichten Schrecken an und deutete zum Anlieger. „Na die Krähen, die ......da....also an dem...“ sie waren nicht mehr da. Der Fischer deutete seinem Freund, ich sei verrückt und nahmen ihren Weg wieder auf. Was hatte das zu bedeuten ? Wahrscheinlich machte ich mir wieder mal zu viele Sorgen und hatte mir die Krähen tatsächlich nur eingebildet. Ich machte mich dieses mal wirklich auf den Weg zu den Fehillys. Zu Fuß waren es bestimmt 1,5 Stunden bis aufs Gut.

Ruuuuuuuuuums Ich schmiss mich in den Sessel. Eigentlich war es mehr ein alter Schemel, überzogen mit etwas Stoff. Aber die „Bluter“ nannten ihn Sessel und ich mochte diesen Ausdruck. Den nächsten Tag verbrachte ich mit meiner üblichen Hausarbeit und der Planung über mein neues Leben in Amerika. Ich wollte schon immer eine Zofe sein. Mir lag es, Leute zu frisieren und ihnen zu helfen...einfach für sie da zu sein. Das tat ich ja für die Fehillys bereits. Aber in Amerika sollte alles besser sein. Als ich mit Anke einmal am Hafen war, um frischen Fisch zukaufen, trafen wir dort einen Martkschreier. So nennt man hier die Verkäufer auf den Märkten. Er erzählte uns von Amerika. Er selbst wäre schon dort gewesen, zog es angeblich wieder nach England. Amerika wäre das Land der Unabhängigkeit und der Freiheit. Keiner fragt dort einen, wieso man die Straße entlang ginge oder wieso man nicht 3 Pfund sondern 5 Pfund Fisch kauft. Und Anke und ich waren uns damals schon sehr sicher....DA wollen wir hin.
„Ich gehe in den Stall um Missy zu melken“ sagte ich zu Mrs. Madleine. „Ja, ist in Ordnung! Grüß sie ganz lieb von mir!“ grinste sie. Das sagte sie immer, wenn ich mich um die Kühe kümmerte.  Was Anke wohl gerade tun würde. Wahrscheinlich würde sie, genau wie ich, schon alles vorbereiten und sich auf Amerika freuen. Ich holte mir nach meiner Arbeit den alten Stapel mit den Zeitungen aus der Abstellkammer. Ich suchte alles raus, was ich über Amerika und die Titanic finden konnte. Auf einem Foto entdeckte ich im Hintergrund wieder die 2 Krähen...! Ich schüttelte erneut meinen Kopf, mit der Hoffnung mir sie wieder eingebildet zuhaben... doch sie blieben.

Bis spät in die Nacht brannte meine Kerze auf dem Schemel in meiner Kammer, bis ich sie erlöschte und zu Bett ging.

 

Das Treffen in Soho

Am Mittag beluden Rick, der Knecht,  und Mr.Fehilly die Kutsche und machten die Pferde fertig. Aufgeregt saß ich am Fenster und wartete auf mein Kommando. „Lowe ? Holst du bitte die Hunde und begleitest Nora in die Kutsche?“ Super ! Da war es ! Ich ging in die Scheune und holte Candy und Cora.  Das sind die beiden weißen amerikanischen Schäferhunde von Nora. Sie liebte diese Hunde. Nora war erst 11, aber ein kleiner Sonnenschein. Ich bin so eine Art 2.Mutter für sie, auch wenn ich nur das Hausmädchen war. Als ich mit den beiden Hunden wieder vor dem Haus stand, kam mir Nora bereits entgegen und rannte mit offenen Armen auf mich zu: „Nora, nicht! Die Hunde...!“ Natürlich hörte sich nicht und fiel mir zwischen den beiden Hunden, direkt in meine Arme. Ich kann ihr nie lange nicht böse sein. Ich nahm sie an die Hand, setze sie in die Kutsche und übergab ihr die beiden roten Leinen. Ich rannte noch ein mal zurück in meine Kammer und holte meine ganzen Sachen, die ich den Abend zuvor ausgeschnitten hatte.

Bepackt mit 2 Kutschen ging es dann auf nach London. Die Kutschen waren wunderschön. Feines Holz, mit silbernen Verzierungen. Die Fahrt dauert 3,5 Stunden. Zwischendurch machten wir eine kurze Pause. Rick und ich tränkten die Pferde. Jetzt lagen noch ca. 38min. vor uns. Damion, der Kutscher, liebte es durch Wälder zu fahren. Leider war dieser Weg auch länger. Aber schön war es trotzdem.
Auf dem Festplatz angekommen, fühlte ich mich wahnsinnig unwohl. „Zu viele Bluter“, dachte ich. Aber der Gedanke an die Titanic und der ganzen Planung reichte, um wieder ein lächeln zu zaubern.

„Mrs. Medleine? Ich hätte da noch was zu erledigen, macht es ihnen etwas aus wenn ich....“. „Ja klar, mach dir einen schönen Abend. Sei aber bitte gegen 23:00 Uhr wieder an den Kutschen, ich sage Damion bescheid“ unterbrach sie mich. Super ! Ob Anke schon da sein würde ? Ich machte mich zu Fuß auf den Weg nach Soho. Es wurde bereits dunkel und ein leichter Nebel legte sich über die Gassen. In Soho nahmen abends viele Geschäftsleute , wie auch viele Bluter, ihren letzten Drink zu sich. Dort gibt es viele kleine Gassen, daher ist es dort immer sehr dunkel. Zugegeben, hatte ich schon etwas Angst.

Pünktlich traf Anke am Treffpunkt ein. Langsam ging ich auf sie zu und schloss sie fest in meine Arme. Ich erzählte ihr wie ich mich die letzten 2 Tage auf unsere große Reise vorbereitet hatte. „Ich habe auch schon fast alles vorbereitet. Ich habe sogar gehört, das ich als Lehrerin eine echte Chance haben könnte, du Lowe, das wäre doch zu schön! Aber sag mal, wie finanzierst du dir denn die Fahrkarte ? Ich habe gelesen, das die recht teuer sein sollen. Um genau zu sein, 10 Pfund.“ WAS? Sagte Anke da gerade tatsächlich 10 Pfund ? Wie konnte das sein, ich hatte doch alles durchgeplant....nur die Fahrkarte nicht! Ich senkte mein Kopf und sah vor mir die ganze Planung den Bach runtergehen...ich verdiene die Woche ca. 3 Pfund....wie sollte ich mir so eine teure Fahrkarte leisten können ? Meine ganze Planung versank in Tränen. Auf einmal faste mich jemand am Kinn und hob ihn an. Als ich meine Augen wieder aufmachte stand Nadine vor mir: „Hey, Kopf hoch. Es wird schon gehen. Es wird alles gut gehen und ihr werdet in ein neues Leben segeln. Und ich werde euch begleiten.“ Aus meiner „kurz-trauer“ wurde eine Freude und ein strahlen. „Nadine!!!“ Anke und ich hatten uns auf einem Markt am Pier kennen gelernt, genau wie Nadine und wie....auf einmal ging Nadine einen Schritt zur Seite und eine weitere Person trat aus dem Nebel hervor. “Hallo Lowe“. Oh mein Gott, und die 4. in unserem Bunde, Andy, stand ebenso in der kleinen Gasse im Londoner Soho. Vor Freude, die beiden zu sehen, fing ich an zu weinen und umarmte die beiden. Es war so schön. „Kommt jetzt, wir sollten uns jetzt in einen Pub setzen und noch mal alles durchplanen!“

 

Die Planung

„Ich habe die beiden ausfindig gemacht und sie angerufen. Ich dachte, sie würden uns bestimmt begleiten wollen“. Gott, war das alles toll. Ich konnte es noch gar nicht glauben. „Sag mal, was ist jetzt wegen der Finanzierung ?“ fragte ich Anke. „Ich habe seit 1 Jahr einen Job in der nähe vom Covered Garden. Der bringt relativ viel, da habe ich echt Glück gehabt. Ich kann jedem von Euch 5 Pfund dazu geben, mehr ist leider nicht drin“ fing Nadine an zu erzählen. „Bei mir geht’s zur Zeit auch, ich musste mein Pferd verkaufen. Ich musste nicht alles abgeben, so habe ich noch etwas!“ meinte Andy. Genau das liebte ich so an meinen Freunden, wir waren zusammen so stark das uns keiner was anhaben konnte. Und wir halfen uns immer so gut es nur ginge. „Nadine, das ist ja furchtbar nett von dir, aber das kann ich nicht annehmen!“ warf ich in die Runde. „Lowe, du warst doch die jenige, die dieses hier überhaupt möglich gemacht hat. Du wolltest nach Amerika und hast mich überzeugt das es das richtige ist ! Jetzt willst du alles hinwerfen, weil Dir eine gute Freundin Geld anbietet ?“ Eigentlich hatte sie ja recht. Nur war ich da immer erst etwas skeptisch, bevor ich von Freunden Geld nahm. „Ich zahle es Dir zurück, sobald wir in Amerika sind“ sagte ich zu Nadine. Lachend sagte sie: „Dann wohl in Dollar, was?“

Wir lachten alle und tranken unser Fassbrause. „Was? Schon 22:30 Uhr?“ schrie ich auf. Das war spät. Das war verdammt spät, denn um 23:00 Uhr sollte ich schon wieder bei Damion an der Kutsche stehen. „Ich muss weg. Besprecht alles in Ruhe und Anke wird mich dann informieren okay?“ Ich hörte ein einstimmiges Ja. Ich legte ein paar Pence auf den Tisch, greifte nach meiner Decke und zog meine Haube auf. Auch wenn es schon April war, ist es oft sehr kalt um die Zeit. Ich verabschiedete mich kurz von meinen Freunden und machte mich auf den Weg zu den Kutschen, durch die Gassen von Soho. Es war so bitterkalt. Ich zog meine Hände aus meinem Kittel, den ich unter meiner Decke trug, und pustete meine Finger warm. Immer schneller huschte ich durch die Gassen. Rechtzeitig erschien ich am Treffpunkt, wo Damion schon auf mich wartete: „Na, hattest du einen schönen Abend?“ grinste er mir entgegen. „Wie man es nimmt“ lächelte ich etwas traurig zurück. Als ich bei den Fehillys anfing, hätte ich nie gedacht, das mir die Menschen dort alle so ans Herz wachsen würden. Andererseits hielt mich auch nichts in Southampton. „Na komm, was ist los ?“ fragte er. Damion war ein sehr ehrlicher Mensch und eine treue Seele. Und als ich ihn so ansah, fand ich es einfach nur wahnsinnig ungerecht ihm nichts zu sagen. Also sah ich mich um, nickte leicht und zog ihn am Arm in die Kutsche. Ich erzählte ihm von Anfang an die ganze Geschichte. Als ich den Namen „Anke“ erwähnte grinste er verschämt. Das ihm Anke aufgefallen war, dachte ich mir. Trotz ausführlicher Erklärung wollte er es genau wissen: „Und Anke geht wirklich mit ? Schade eigentlich“ Um ihm weitere Trauer zu ersparen, harkte ich nicht weiter nach, fühlte mich in meiner Theorie bestätigt. „Ja, und nächsten Mittwoch geht es los“ beendete ich meine Geschichte. Damion senkte seinen Kopf, legte ihn leicht nach rechts und seufzte einmal. „Wie es aussieht, hast du dir alles gut überlegt“. Ich nickte. Er nahm mich in den Arm, flüsterte mir „Ich wünsch dir alles Glück der Welt“ ins Ohr und hauchte ein „Pass auf dich auf“ hinterher. Er klang sehr besorgt und sehr skeptisch. Wahrscheinlich war er nur etwas traurig.

Als die Fehillys kurz darauf eintrafen, konnte die Reise Richtung Southampton starten. Mit Nora im Arm schlief ich ein. Ich hatte das Gefühl, als ob mir jemand eine Decke übergelegt hätte, war aber zu geschafft um meine Augen noch einmal zu öffnen.


Der Abschied

Regentropfen prasselten leise an mein Fenster, als ich mich in meine Decke einkuschelte und zum Fenster hinaus sah. In jedem dieser Tropfen steckte ein Stück Trauer & Freiheit. Morgen war es soweit. Morgen geht es endlich auf das, so angesehene, Schiff. Dort würde ich mit meinen Freunden tolle 7 Tage verbringen, ehe wir in Amerika ankern würden. Ich glaube die Stadt heisst New York. Ein kein besonders außergewöhnlicher Name für eine Stadt. Aber das machte eigentlich nichts. Denn ein Land voller Freiheit und Gerechtigkeit könne sich sicher einen solchen Namen erlauben, dachte ich. Auf der Karte, die ich am Tag zuvor an einem kleinen Buchladen in der Stadt entdeckte, fand ich eine Stadt namens „Baltimore“. Das war doch ein sehr origineller Name und Anke hatte ihn schon einmal erwähnt. Aber eigentlich war dies alles gerade nicht so wichtig, ich drückte mich nur vor dem Abschied. Es waren noch genau 10 Stunden bevor ich das Haus endgültig verlassen würde und ich hatte den Fehillys noch immer nichts gesagt. Aber wie sollte ich das anfangen ? Ich beschloss nach langem denken, einfach einen Brief zu schreiben. Als ich fertig war, las ich noch mal drüber:

 

Liebe Mrs. Madleine, Mr.Fehilly und Nora!
Ich wusste einfach nicht weiter und schreibe deswegen diesen Brief.
Wenn Sie diesen Brief lesen, werde ich wahrscheinlich gar nicht mehr in der Stadt sein.

Bitte lassen Sie es mich erklären.

Ich kam alleine und verlassen aus meiner Heimat zu Ihnen nach England. Die Rechte, Pflichten und Gesetze hier sind zu Irland  ein großer Unterschied und ich habe mich bis heute nicht daran gewöhnt, mich ständig zu rechtfertigen.
Ich gehe nicht wegen Ihnen. Sie waren sehr gut zu mir und das werde ich Ihnen niemals vergessen.

Bitte überbringen Sie den anderen Angestellten einen Gruß meinerseits

Nora, du bist und warst ein Sonnenschein. Ich habe Dich sehr lieb gewonnen und werde Dich immer in meinem Herzen bewahren und an Dich denken. Sei gut zu Candy & Cora.

Ich schreibe diesen Brief, weil ich es Ihnen nicht ins Gesicht sagen konnte.
Bitte verzeihen Sie !

Hochachtungsvoll,

Le grá go déo
Lowe

Ja. Ich denke das würden sie verstehen. Ich faltete den Brief und legte ihn in einen Umschlag, den ich aus den Überresten der Zeitung gemacht hatte.  Ich überblickte noch mal mein Gepäck, was aus meinem alten Koffer bestand, und löschte dann das Licht. Aber schlafen konnte ich nicht. Ich war viel zu aufgeregt. Bei dem Gedanken, meine Lieben in nur ein paar Stunden endlich wieder zu sehen, baute mich auf. Schlafen konnte ich nicht. Ich drehte mich nach rechts und machte das Licht wieder an. Ein paar mal lief ich im Zimmer auf und ab, ich war einfach zu nervös. Letztendlich kramte ich meine ganzen Bilder und Fotos von der RMS Titanic wieder heraus und sah sie mir erneut an. Bald würde ich auf DEM Schiff reisen....ich konnte es nicht glauben. So schlief ich doch ein.

Im Morgengrauen machte ich mich auf den Weg zum Pier. Als ich das Tor das letzte mal hinter mir schloss, wurde mir etwas mulmig. Es würde für immer sein. Nie wieder würde ich in dieses Haus zurückkehren und nie wieder in dieses Land. Ich hatte den Brief auf den Fenstersims des Klavierzimmers gelegt, in der Hoffnung, das ihn Mrs. Madleine zuerst finden würde, wenn sie ihre morgendliche Klavierstunde nahm.

Die Straßen waren leer. Nur ein paar Hausmädchen aus der Nachbarschaft (was nicht viele waren, das Haus stand sehr abseits) machten sich auf den Weg zum Markt, um die besten Stücke Fisch zu ergattern. Ich zog meine Haube tief ins Gesicht. So würde mich sicher keiner erkennen. Mein Koffer war nicht sehr schwer. Ich hatte nur ein paar Kleidungsstücke eingepackt, mein geliebtes Buch und die hölzerne Spieluhr, die mir Nora einst schenkte.

Als ich am Pier eintraf, sah ich von weitem bereits die anderen, die mit einem unverwechselbaren Lächeln schon auf mich warteten.
„Da bist du ja“ sagte Andy, kurz bevor sie mich zur Begrüßung in den Arm nahm. „Ja, der Abschied von Fehillys fiel mir doch schwerer als ich es dachte“ meinte ich. Anke schaute mich etwas misstrauisch an und sagte: „ Du bereust es doch etwa nicht jetzt schon, oder?“ Tat ich das ? Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich freue mich auf meine neue Heimat. Und auf Euch. Und dieses Schiff muss erst recht unvergesslich schön sein. Habt ihr es schon gefunden?“ Ein paar Möwen kreisten über das Wasser, welches mir schon seit meiner Kindheit in Irland ein Gefühl von Freiheit gab. „Nein, noch nicht. Aber Nadine und Andy wollten gleich mal los und unseren Eingang suchen“. Super, also hatte mit den Fahrkarten ja auch alles geklappt. Von meinen letzten Pence wollte ich mir noch ein trockenes Brot kaufen. „Wartet hier kurz“ sagte ich zu den dreien. Ich stellte meinen alten Koffer auf den Boden, zog meine Haube tief ins Gesicht und ging auf die andere Seite zu dem Stand. „Was kann ich für sie tun, Miss ?“ fragte der Herr. „Ein trockenes Brot bitte“ lächelte ich ihm entgegen, als ich meine Haube höher zog und ich ansah, „und eine Emphelung, welche Stadt in Amerika denn für ein Mädchen geeignet sei“ Es war unser Marktschreier, der uns einst von Amerika und dem Traum der Freiheit erzählte. Er lächelte übers ganze Gesicht. Er hatte leicht abstehende Ohren, was sein Lachen gleich viel symphatischer machte. „Ob ich ihnen da helfen kann“ grinste er frech. Er erzählte mir von einer Stadt, die sich Chicago nannte. Das hörte sich wunderbar an. Das war also mein neues Ziel. Ich griff nach meinem Brot. Ein letztes mal lächelte ich ihn an, machte einen Knicks und verabschiedete mich. „Auf wiedersehen, Miss. Bis zum nächsten mal“ grinste er noch mals. Henry war ein so lieber Kerl. Ein Herzensguter Mensch. Ich wandte mich ab, und ging zurück zu den anderen. Jetzt sollten wir endlich das Schiff bestaunen.

Andy und Nadine gingen vor, wie so oft eigentlich, wenn sie neugierig waren. Anke und ich folgten den beiden. Anke und ich waren gerade in ein Gespräch vertieft, als die beiden los schriehen: „Ahhhhhhhhhh.....“. Anke und ich blieben stehen. Was war mit den beiden los? Andy drehte sich langsam um, und deutete nach links. Da stand sie. Das Schiff der Träume. Die langersehnte Hoffnung – die Titanic. Nadine brachte ein lockeres „Oh mein Gott, was ist denn das  ?“ raus, bei dem ich eigentlich lächeln wollte, es aber durch mein Staunen nicht schaffte. 15min. standen wir einfach nur vor diesem riesigen Stahlmonster und sagten kein Wort. Sie war bestimmt 200 Meter lang und komplett aus Stahl gefertigt. Das konnte selbst ich erkennen, obwohl ich keine Ahnung von Schiffen hatte. Auf dem Schiff liegen bereits Offiziere entlang und bereiteten alles vor. Unten ebenfalls. „Welchen Eingang haben wir?“ fragte Andy. Nadine wühlte in ihren Unterlagen und meinte „das müsste die vorletzte Gangway sein“. Super, ganz am anderen Ende des Schiffes. So konnten wir uns noch mal alles genaustens ansehen. Am Pier standen noch haufenweise Personal. Ein etwas größerer Herr, mit weißer Uniform und einem grauen Mantel stand dort in Begeleitung einiger Damen. Der sag ganz witzig aus. Er schaute uns etwas hochnäsig an, aber das machte uns nichts. Wahrscheinlich hatte er auch nicht mehr Geld als wir.
Von weitem konnten wir eine kleine Runde Offiziere beobachten, die gerade Freundschaft schlossen. „Gott, der sieht ja ganz schön dämlich aus. Und wie der seinen Koffer hält, bestimmt ein kleiner Schnösel“, sagte Nadine. Wir lachten. Ich fand es nicht besonders angebracht über Leute zu lästern, andererseits sehr lustig. „Und der daneben. Der scheint ganz schön stark zu sein, könnte einer der Heizer sein“ warf Andy ein. Anke suchte während dessen ihr Glück in der Menge und den Passagieren. „Lowe, der wäre doch was für dich“ sagte Anke auf einmal. Ich drehte mich um und sah einen Herren mit einem Hut auf dem Kopf an mir vorbei gehen. Er war ebenfalls erstaunt über dieses Schiff stellte den Koffer ab und ging noch ein paar Schritte weiter. Er sah nicht gut aus, aber irgendwas an ihm gefiel mir sehr gut. „Meinst du den ?“, fragte ich Anke. Sie gab mir einen kleinen Stubbs, und nickte. Wer war dieser Mann ? Sicherlich war er nicht so arm wir wir. Auch kein Bluter, dazu war er zu fransig angezogen und zu symphatisch. Ich ging ein paar Schritte nach links und sah mir seinen Koffer genau an. Er hatte eine sehr merkwürdige Form, so einen hatte mal in London bei einem Obdachlosen gesehen. Aber ein Obdachloser konnte er nicht sein. Er staunte immer noch über die Titanic. Stellte seinen rechten Arm auf seine Hüfte, schüttelte den Kopf und sagte „Unglaublich“. Er sah wirklich sehr nett aus wenn er lächelte. An den Seiten seines Hutes konnte man ein paar dunkle Haare erkennen. Mh, in Irland gab es wenig Männer mit dunklen Haaren. Die meisten waren blond, wenn nicht sogar rot. Aber eigentlich machte mir das nichts aus. „Hey, Lowe! Träumst du mal wieder ?“, stichelte Nadine und piekste mir dabei in die Seite. „Ich ? Ehh, nein. Lasst uns weiter gehen“. Am Gangway der 2.Klasse war eine riesen Aufruhr. Eine ältere Frau schrie sich die Seele aus dem Leib. „Was ist denn mit der?“ lachte Anke vor sich hin. Hinter ihr ein Mann, der 5 Koffer trug. „Das ist bestimmt ihr Buttler“ sagte Andy. „Quatsch, sie scheint der 2.Klasse anzugehören. Da reisen die nicht mit Buttler“ meinte Nadine. „Vielleicht bringt er sie ja auch nur zum Schiff?“ erwiderte Andy. „...oder ihr Bruder“. Jetzt mischte Anke sich ein: „Ist das nicht egal ? Lasst uns jetzt endlich gucken wo wir hin müssen, dann können wir uns immer noch über andere Lustig machen“. Wie recht sie hatte. Also nahmen wir wieder unsere Koffer auf und machten uns auf den Weg.

Wie aus dem nichts kam ein junger Mann mit einer Flasche Champagner in der Hand vorbei und streifte Nadine am Arm und sie fiel zu Boden. Andy schrie ein „HEY, pass doch auf....MANN“ hinterher. Nadine tickte sie an der Hand und sagte „Lass gut sein, schon okay“. Der Mann blieb stehen, drehte um und kam direkt auf uns zu. „Tut mir leid, bist du meinetwegen gestürzt? Ich helfe dir“. Er nahm ihre Hand und zog sie wieder auf die Beine. Sie hob ihren Kopf aus der Versenkung und starrte ihn an. Er streichelte ihr einmal über die Schulter und sagte „Es tut mir leid. Ich muss jetzt los.“ Er lies von ihr und rannte weiter zum Eingang des E-Decks. Nach 100 Stichelein brachte Nadine nur ein „Wow“ raus. Anscheinend wollte sie nichts zu ihm sagen, aber durch eine leichte Handbewegung deuteten wir alle, das wir uns sicher waren, das sie ihn mochte. Andy, die immer alles mit ehemaligen Geschichten und anderen Situationen verglich, stammelte die ganze Zeit schon von einem „Andrews“, von dem sie in der Zeitung gelesen hatte. Ebenfalls ein Bild hatte sie gesehen und war total hin und weg von ihm. „Der ist toll....woar....hoffentlich habe ich die Chance ihn auf der Titanic zu sehen“ meinte sie. „Aber.....“ Sie machte eine kleine Pause. „was aber ?“ Andy schaute mich an und meinte: „in dem Artikel stand auch, das er verheiratet ist und eine Tochter hat!“ Oh Oh ...das war nicht so gut. Wir lenkten Andy etwas ab, in dem wir ihr erzählten, das sie diesen geheimnisvollen „Andrews“ sicherlich begegnen würde. An der Gangway fragten wir einen Offizier, ab wann wir an Board gehen könnten. „Das dauert noch etwas, Miss. Es gibt noch ein paar Probleme mit dem Proviant und den Heizräumen. Frühestens in 2 Stunden. Eher sicherlich nicht“. Auf seiner Uniform stand „Boxhall“. Witzigen Namen hat der, dachte ich. „Okay, Mädels...dann gehen wir vorher noch ein wenig Leute gucken“ zwinkerte Anke uns entgegen.

Die Abfahrt

 

Nach genauem inspizieren der anderen Passagiere, setzten wir uns an die Seite und studierten die Information über die Titanic. Auf einem Foto entdeckten wir 2 Herren. Neben dem Foto stand ein Hinweis: Inhaber Bruce Ismay und Captain E.J Smith – beide sahen nicht danach aus
„Hey Lowe, was meinst du wer ist der Captain?“ fragte Nadine. „mh, ich glaube der mit dem Hut und dem Stock“. Wir lachten. Diese Unterhaltung hatten kurz vorher 2 Leute der Crew geführt.

Folgende Informationen entnahmen wir der Zeitung:

"Heute wird sie auf See gehen. Die Titanic ist stolze 269,68 Meter lang und ganze 28,19 Meter breit. Mit 9 Decks und einer Besatzung von 885 Leuten, einer Passagierzahl von ca. 2.600 Personen startet sie heute ihre Jungfernfahrt nach New York. Zwar befinden sich nur 20 Rettungsboote an den 9 Decks, aber Inhaber Bruce Ismay bestätigt immer wieder die Sicherheit dieses Schiffes....sie ist unsinkbar!  Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 22,3 Knoten ist sie eines der schnellsten Schiffe auf dem Ozean und wird heute Mittag gegen 12:00 Uhr ablegen. Konstrukteur Thomas Andrews und Inhaber Bruce Ismay, werden ihr Werk auf der Jungfernfahrt begeleiten. Ebenfalls werden Charlotte Drake Cardeza, Cornol John Jacob Astor mit seiner Frau und Benjamin Guggenheim mit Begleitung erwartet."

Sie war wirklich ein Traum. Noch einmal dachte ich an die Fehillys zurück. Ob sie meinen Brief schon gefunden haben ? Würden sie ahnen, wo ich bin und versuchen mich aufzuhalten ? Nein. Sie würden es sicher verstehen und mich meinen eigenen Weg gehen lassen.

„Hey, wir können an Board gehen!! Es geht endlich los“ schrie Anke. Ich schloss meine Augen atmetet einmal durch und sah hinauf zur Titanic. Ich erschrak. Wieder tauchten die Krähen auf, die um den Giganten kreisten. Ich konnte mir immer noch nicht erklären, was sie zu bedeuten hatten. Andy stubbste mich an und ich lächelte ihr zu. „Komm, lass uns gehen“.

„3.Klasse, begeben sie sich zur Gangway, halten sie ihre Papiere bereit und warten sie bitte auf Instruktionen“. Wir 4 gingen zur Gangway und warteten. Eine Junge Frau lief mit Tränen im Gesicht an uns vorbei. Wir schauten uns alles etwas verwundert an, keiner sagte aber ein Wort. Endlich waren wir dran. „Miss, darf ich ihre Papiere sehen ? Und ihr Fahrkarte bitte“. Der Offizier hiess „Lightoller“ sah nicht schlecht aus, war aber sehr unfreundlich. Wahrscheinlich war er ein sehr netter Kerl, wollte sich nur etwas wichtig machen. Ich gab ihm meine Papiere. „Oh, die Fahrkarten habe ich“ sagte Nadine und reichte sie ihm rüber. Er prüfte alles sehr genau und fragte mich, nach meiner Herkunft. „Kerry, Sir. Das liegt im Ostwestlichen Bereich Irlands, Sir“ wollte ich ihm erklären. „Ich kann lesen Miss...Myers!!!! Wieso steigen sie hier ein, wenn sie in Irland leben?“ fragte er mich. Wie sollte ich ihm das jetzt alles erklären? „Charles, lass sie. Das geht dich, mich und alle anderen nichts an“ sagte ein weiterer Offizier. Er lächelte Anke zu, welche einen leichten Knicks machte und dann sagte er „Ihr könnt durch gehen. Sie reisen zu 4.? Richtet Euch nach der grünen Linie. Kabine 07.“ „Vielen Dank, Mr....“ ich versuchte den Namen an seiner Uniform zu entzifffern als er „Murdoch, Mr. Murdoch“ sagte. Diesen Namen sollten wir uns merken, dachte ich.

Andy, die von dem ganzen Stress kaum was mitbekommen hatte, meinte „na, das hat doch besten geklappt“. Wir rollten alle einmal mit den Augen und suchten die grüne Linie. Ich konnte es noch gar nicht glauben, ich war auf dem schnellsten und größten Schiff. Ausserdem waren meine Freunde bei mir und schon bald würde ich ein neues Leben beginnen.

„Wollen wir nicht erst mal ans Deck gehen? Ich würde zu gerne sehen, wie wir ablegen“ sagte Anke. Nadine sagte sofort zu, wahrscheinlich war die mit den Gedanken bei ihrem Retter vom Pier und hoffte ihn dort anzutreffen. Also ging es erst mal an Deck. Aber wo mussten wir lang ? Wir standen auf einem riesigen Flur, mit verschiedenen Farben. An der grünen sollte es zu unserer Kabine gehen, die gelbe machte hinten einen kleinen Knick, die rote ging links und die blau rechts hinauf. Aber nirgendwo stand was von „Deck“. Wir entschieden uns für den blauen Aufgang. Und da waren wir auch richtig. Anscheinend waren wir direkt im Bauch des Schiffs. 4 weiße Treppen mussten wir hochgehen, bis wir endlich ein Geräusch hörten. „Doch hier sind wir bestimmt richtig, ich sehe schon einen Lichtstrahl“. Inzwischen war es ein herrlicher Tag geworden. Sie Sonne brannte so, als wenn sie es gewusst hätte, das heute ein wunderbarer Tag werden würde. Auf dem Deck waren schon einige Passagiere und wir stellten uns schnell an die Rehling, um den besten Ausblick zu genießen.

Wir sahen uns die Menge an. Mittlerweile war die halbe Stadt angereist um sich von seinen Angehörigen und Freunden zu verabschieden. Neben mir stand ein junger Mann auf der Rehling. Ich schaute hinunter und sah seine Beine an. Ich war etwas skeptisch, dann stellte ich meine Beine ebenfalls auf die unterste Stufe der Rehling und grinste den Typ neben mir an. Er kam auch aus armen Verhältnissen, er sah jedenfalls danach aus. Er grinste mir zu und sagte „Hi, ich bin Jack“. Ich sah ihn nett an und drehte mich wieder zu meinen Freundinnen. Mir war die Situation etwas peinlich und er war auch gar nicht mein Typ. Andy ergriff die Chance und ging zu Jack. Ich sah ihr etwas überrascht nach, kümmerte mich dann aber wieder um die hupenden Automobile, die in der heißen Mittagssonne am Pier auffuhren.
„Was kann das sein?“ fragte ich Anke. „Ich weiss es nicht“, gab sie mir erstarrt zurück. Wir standen also an der Rehling und beobachteten die Menge. Das erste Automobil, das näher kam, war voll beladen mit Gepäck und schönen Sachen. Sachen, von denen ich träume. Das Automobil hielt an. Der Fahrer gab seinem Nebenmann ein Zeichen. Er stieg ab, ging einmal um das Fahrzeug umzu und machte die Tür auf. Er hatte eine schwarze Uniform an, goldene Knöpfe und trug weiße Handschuhe. Auch wenn das Schiff riesig war, konnte ich das erkennen. Seine andere Hand reichte er in den Wagen und es stieg eine vermummte Frau aus. Die war ganz in schwarz gekleidet und trug einen roten Pelz um ihre Schultern. Ihren schwarzen Hut bis ins Gesicht gezogen, trat sie arrogant ein paar Schritte nach vorne. „Das ist auf jeden Fall ein Bluter“, sagte ich zu Anke. Anke verzog das Gesicht und stimmte mir zu. Sie hasste solche Menschen und verabscheute sie. Das tat ich ebenso. Ich zwickte sie einmal in die Seite, das brachte sie immer zum lächeln. Wir konzentrierten uns wieder auf den Rest. Neben Anke stand Nadine. Ihre Augen gingen nach links, nach rechts, nach links und wieder nach rechts. Ich wollte sie gerade fragen was los sei, als Andy von hinten heran kam „Also Lowe, dieser Jack ist ja echt nett. Und was der schon alles erlebt hat. Er ist Künstler...er zeichnet.“ Ich zog meine Augenbrauen hoch und sah sie fragend an. „Ach ja, und wie hat er sich als KÜNSTLER die Fahrkarte finanziert?“ Andy schaute mich an und überlegte kurz. „Ehh, moment. Das kann ich schnell rausfinden.“ Sie drehte sich um und ging zu Jack. Die beiden flüsterten und kurz darauf kam sie auch schon wieder zurück: „Er hat sie beim Kartenspielen gewonnen“. Dachte ich mir es doch, ein Kartenspieler. Naja, sollte mir auch egal sein. Ich wandte mich wieder ab.

„Hey schaut mal. Das müsste Benjamin Guggenheim sein“, sagte Nadine. „Nein, das ist der Astor. Ich habe über ihn ebenfalls in der Zeitung gelesen. Seine Frau ist erst 19 Jahre alt und in anderen Umständen“, sagte Anke. Typisch Bluter, dachte ich leise. „Tja Mädels, so wie es aussieht reisen wir hier mit der hohen Gesellschaft“ meinte Anke. Sie zog dabei ihre Nase hoch und ging ein paar Schritte hochnäsig an uns vorbei. Sie setzte einen Schritt vor den anderen. Gelächter brach aus. „Ach ich weiss nich,“ sagte ich „...ich will mit diesen Leuten nichts zu tun haben“.
„Das wirst du auch sicherlich nicht, Schätzchen“ keifte eine etwas ältere und sichtlich vermögendere von hinten. Als ich mich umdrehte sah sie mich mit ihren Rabenschwarzen Augen an und meinte „Diese Leute haben alles erreicht, was sich Eure Wenigkeit nur wünschen kann. Also urteilt nicht schlecht über sie, sonder nehmt euch ein Beispiel“. Sie wandte sich wieder ab, während Andy ihr die Zunge rausstreckte.
Wir beobachteten weiter die Bluter. Auf einmal war die Frau mit dem Butler wieder da. Sie stand auf einer Bank und erzählte neugierigen Passagieren und Zuschauern etwas. Leider konnten wir nicht verstehen, worum es geht. Aber er schien sich um die „Hohe Gesellschaft“ zu drehen.

„Ich würde zu gerne wissen was sie sagt“ flüsterte ich vor mich hin. Mit einem „Bin gleich wieder da“ rannte ich einmal quer übers Schiff, auf die andere Seite wo die Frau stand. Die Schreie der Angehörigen waren einfach zu laut, ich konnte kein Wort verstehen. Sie hatte eine stechend merkwürdige Frisur, eine schrille Stimme mit Akzent und trug ein tiefblaues Kleid. Sie war bestimmt nicht von hier...ihr Butler, Bruder oder wer auch immer es letztendlich war, folgte ihr. Anscheinend war er Fotograf. Er trug einen solchen Apparat um seine Schultern. Ich kannte mich nicht gerade damit aus, solche Apparate waren sehr teuer, und wenn ich für etwas kein Geld hatte, beschäftigte ich mich auch nicht damit. Als die beiden an Board ging, schritt ich zurück zu meinen Freunden und erzählte von dem, was ich beobachtet hatte – nichts ! Noch eine ganze Weile standen wir oben und beobachteten das Geschehen, als wir plötzlich eine laute Tröte hörten, die durch eine leichte Stimme ausklang: „Bitte alle Besucher von Board!“ Wir drehten uns um, um die geheimnisvolle Stimme zu finden. An der Brücke machten unsere Augen halt. Ein großer Mann in blauer Uniform, mit einem Bart und einer Mütze auf, verschrenkte seine Arme hinter dem Rücken und gab Anweisungen an die Offiziere, die um ihn rumstanden. Das musste der Captain sein. Das war der erste Moment auf dem Schiff, in dem ich mich wirklich sicher fühlte. Er strahlte Sicherheit und gleichzeitig eine spürende Wärme aus. Anke hingegen hatte den Offizier vom Boarding entdeckt, der direkt neben dem Captain stand. Wie verzaubert starrte sie hoch zur Brücke und meinte zu mir: „Wie hiess der noch mal ?“. Nadine fiel als erste der „Schnösel“ wieder auf, wie sie ihn nannte. „Wo hat der denn seinen Koffer gelassen“ scherzte sie vor sich hin. Andy hingegen war immer noch auf der Suche nach ihrem „Andrews“ und war mal wieder verschwunden. Irgendwann würde sie sicherlich wieder auftauchen. Das Schiff war zwar groß, doch nicht alle Bereiche waren für die 3.Klasse zugänglich. Also konnte sie ja soweit nichts ein.

Moooooooooooooooooooooep „Es geht los, es geht los“ schrien alles durcheinander. Ich nahm die Hände von Anke und Nadine, ging mit ihnen erneut zur Rehling und winkte ein letztes mal in die Menge. Ich würde England jetzt endgültig den Rücken- und nie wieder zurück kehren

Wie in einem Bildspiel sah ich meine ganzen 2 Jahre bei den Fehillys vor mir... Georgie, die Hunde, die Weiden, Nora, Mrs. Madleine....einfach alles. Aber ich wusste ich würde das richtige tun und es nie bereuen. Wir gingen zurück zur Brücke.
Während des Ablegens sagte die Mannschaft und das Personal ein Gebet auf, was ähnlich klang wie:

Farewell, Farewell
Goodspeed, Titanic...
From your berth glide free!
As you plough the deep,
In your arms I´ll keep.
Safely West,
May you carry me.

Leider konnten wir nicht alles verstehen, aber es klang so. Nicht nur für uns 4, für alle war sie ein wirklicher Traum.
Noch einmal sah ich hoch zur Brücke. Über den Köpfen der Mannschaft kreisten 2 Krähen. Es waren erneut die 2 schwarzen Krähen, die ich schon öfters sah. Was wollten sie mir deuten ? Aber jetzt war ich erst mal auf den Schiff und hier konnte mir nichts passieren.

 

Die Erkundung

„Folgen sie der grünen Linie“ äffte Nadine nach, „diese grüne Linie führt doch ins Nichts!“. Nadine hatte sichtlich schlechte Laune. Wahrscheinlich hatte sie gehofft, den jungen Mann mit dem Champagner an Board zu treffen. Aber wie es aussah, war er gar nicht mitgereist. Anke und ich sahen uns fragend an, wussten aber beide nicht was wir sagen sollten und schwiegen. Als wir um die Ecke bogen, saß Andy bereits vor unserer Kabine auf ihrem Koffer. Mit einem frechen Gesichtsausdruck grinste sie uns an und meinte „Ihr habt was verpasst!“

„Was ist passiert, Andy ? Erzähl schon“, sagte ich als ich die Kabine aufschloss. „Also, das war so: Ich bin zuerst....“ Alle stockten. „Hi ich bin Mel“. Da saß doch tatsächlich jemand in unserer Kabine. Sie war sichtlich nervös und hibbelte von einem auf das nächste Bein. Waren wir hier  richtig ? Ich ging noch mal raus und schaute auf die Tür, auf der No.07 stand. Aber was machte dieses Mädchen in unserer Kabine ? Nadine ging auf sie zu und gab ihr die Hand „Hey, hast du nicht in der London Road Fische verkauft ? Ich bin Nadine!“. Mel lächelte und brachte ein schüchternes „Ja“ heraus. Nadine nahm sich ihrer an und stellte uns vor: „Die mit den Feuerroten Haaren und der blauen Tasche ist Anke Miller.“ Sie gab Anke die Hand und nickte. „Die mit den dunklen Haaren und dem strahlen im Gesicht ist Andy Ley, und die blonde, die immer noch verdutzt vor dem Türschild steht, ist Lowe Myers!“ Immer noch stand ich wie angewurzelt da. Andy kam rüber und gab mir einen kleinen Schubs, worauf ich wieder zu mir kam und ein verzögerndes „H..H...ey ! Ich bin Lowe, aber das hat Nadine ja schon erzählt. Schön Dich...ehm...also....kennen zulernen.“ Gott, hatte ich das wirklich gerade so vor mir hin gestemmelt ? Was würde sie denn jetzt von mir denken ?

Eigentlich weiss ich selber nicht, wieso ich die so anstarrte. Sie sah sehr nett aus und immerhin kannte ich sie nicht ...Anke rettete die Situation: „Was machst du denn in unserer Kabine ?“
„Die Werft hat spontan aus einigen 4er Kabinen 5er gemacht, weil sie mehr Karten verkauft haben, als sie konnten.“ Achso. Das erklärte einiges. Jetzt konnte ich auch wieder lächeln. Ich ging einen Schritt auf die anderen zu uns sagte: „So, jetzt suchen wir uns alle ein Bett aus und dann erzählt uns Mel erst mal was von sich“.

Links und recht stand jeweils ein Hochbett und in der Mitte ein einzelnes. Anke schmiss sich gleich auf das einzelne. Nadine und Mel nahmen das linke, Andy und ich das rechte. Die Betten waren nicht besonders bequem. Auch die Aussicht konnten wir nicht genießen, da wir kein Fenster hatten. Wir waren wohl zu tief im Schiff, da hätten wir wahrscheinlich nur die Schiffsschrauben bestaunen können.

Mel kam ebenfalls aus Irland. Allerdings aus der Nähe von Belfast in Nord Irland. Das machte sie gleich symphatischer. Zwar hatte mein Vater wegen den Nordiren sein Land verloren, aber da konnte Mel ja auch nichts für. Sie war gelernte Näherin. Ihr Mutter hatte in Nordirland einen kleinen Laden, in dem sie Kleider für die Reichen nähte. Nach einem langen Streit war Mel nach England gekommen, konnte ihr Handwerk aber nicht ausüben. Sie durfte es nicht. Also hat sie nebenbei einfach genäht und in der sonstigen Zeit auf der London Road Fisch verkauft. Sie war mir ehrlich gesagt nie aufgefallen, vielleicht hatte ich auch einfach nicht darauf geachtet. Sie war wirklich sehr nett und es machte Spaß, sich mit ihr zu unterhalten. Andy rückte etwas näher an sie heran und sagte „Du, hast du Stoff zum nähen dabei?“ Wir alle sahen sie etwas merkwürdig an und Mel meinte: „Ja, aber nicht sonderlich viel. Für ein Kleid müsste es reichen, wieso ?“ Andy klatschte sich auf ihre Oberschenkel und brachte ein lautes „Ja, Klasse!“ raus. Natürlich wunderte ich mich was das alles sollte und fragte mich, ob es was mit Andys verschwinden zu tun habe. Aber anstatt zu Fragen ging ich mit Nadine und Anke raus, um das Schiff genaustens unter die Lupe zu nehmen.

„Das ist ja der Wahnsinn!!!!“ Wir standen alle drei vor dem riesigen Wandbild, was an Denk gezeichnet war. Eine Art kleiner Vorbau schütze es vor Regen. Es war einfach nur riesengroß, anders kann ich es gar nicht beschreiben. Goldene Stahl Ränder schlossen das Bild ein. Auch wenn ich kein großer Kunstkenner war, war ich total angetan davon. „Ist das nicht wunderschön?“ fragte Anke.  Ja, das war es wirklich !! Hoffentlich würden wir noch mehr von diesen tollen Wandverzierungen sehen. Nun standen wir also oben auf dem Deck. Die Geschwindigkeit war laut Offizier bereits bei 20 Knoten. Leider konnten wir damit nicht sehr viel anfangen, aber er musste viel sein.

Noch eine ganze Weile spazierten wir über das Deck. Für einen April Nachmittag schien die Sonne stärker als sonst. Es war wirklich alles perfekt. Am Ende des Schiffes, bog rechts ein kleiner Gang ab. Nach langem Überreden von Nadine, beschlossen wir hinein zu gehen. „Ihr wisst, das es sicher verboten ist hier runter zu gehen“ sagte ich. Natürlich wussten sie es, wir alle waren uns dessen bewusst. Trotzdem wagten wir den Schritt auf die Treppe. Anke vorweg, gefolgt von Nadine und ich bildete das Schlusslicht. Diese Treppe schien endlos lang zu sein. Als wir unten ankamen, waren vor uns 3 riesige Türen mit den Aufschriften „Maschinenraum“ , „Mannschaft“ und „Zutritt strengstens verboten“ Ohne zu zögern steuerte Anke auf den Maschinenraum zu, da musste ich jetzt was sagen:

„Anke !! Da kannst du doch nicht einfach so reingehen“
„Warum das denn ?“
„Na, weil....weil...deswegen halt“
„Siehst du auf dieser Tür ein Schild das mir das verbietet?“

Keine 5sec. später spähte Anke durch die Tür. „Wooooow, ganz schön warm. Die Hitze schlägt schon um sich. Total viele Menschen mit Schippen und viele Kessel, die von ihnen angefeuert werden. Hey, da steht jemand in einer Uniform.“ Jetzt schaute ich ihr über die Schulter, das wollte ich jetzt genau wissen. Ein Offizier stand in seiner dicken Uniform vor einem offenen Feuer und diskutierte scheinbar mit einem der Heizer. Das konnte man an seiner Armbewegung erkennen. Er wurde laut und schrie. Er drehte um und ging direkt auf uns zu. Zurück blieb ein verdutzter Heizer.
„Nein, der kommt uns ja direkt entgegen“ schrie Anke. Bevor wir uns umdrehen und zurücklaufen konnten, stand er auch schon mit einer schlechtgelaunten Miene vor uns. „Was machen sie hier, Miss? Sie haben hier nichts zu suchen!“ Wir 3 standen alle da wie angewurzelt und wussten nicht was wir sagen sollten. „In welchem Abschnitt des Schiffes reisen sie?“, erhob er die Stimme, senkte seinen Kopf und zog seine Augenbraue misstrauisch hoch. „Verzeihung Sir, uns war nicht klar das wir uns hier nicht aufhalten dürfen“. Uns stand der Schweiß im Gesicht. Nun verzog sich sein Gesicht zu einem gewagten lächeln und meinte: „Schon gut. Wir hätten an der Treppe das Schild anbringen sollen, sie konnten es so ja auch nicht wissen. Aber bitte gehen sie jetzt“ Wir machten einen leichten Knicks und verschwanden erneut auf der Treppe.
„Puh, das war knapp. Hat jemand auf sein Schild geachtet?“ fragte ich.
„Ich glaube Pitman war sein Name, wieso ?“
„Na ja, wir sollten ihm in Zukunft lieber aus dem Weg gehen“.
Wir beschlossen jetzt, unsere Erkundung beschränkt weiter zu führen. Wir orientierten uns an der rechten Wand und folgten ihr einfach. Auf einem großen Platz sahen wir einige Kinder, die über das Deck tobten. Sie sahen so ungefangen und frei aus.
Das Wetter verzog sich uns es wurde kühl und regnerisch. Wir machten uns auf den Weg zurück in unsere Kabine.

klopf klopf* Andy öffnete die Tür. Mel saß auf dem Bett und nähte. Aber was nähte sie da ?
Ich schaute mich im Zimmer um und sah überall Stofffetzen verteilt. Ich trat einen Schritt näher und bückte mich: „Ehm Mel ? Was machst du da ?“. Andy sprang auf und hüpfte durch die Kabine. „Das wird ein Kleid für mich“ sagte sie. Ein buntes Kleid mit Perlen und Verzierungen für Andy ? Das konnte ich mir ja überhaupt nicht vorstellen. Da musste was anderes dahinter stecken. Ich zog sie am Ärmel und sagte ihr über die Schulter, das sie mir wohl was zu erzählen hätte.
„Kommt her, ich will euch erzählen was heute morgen geschah“.

Wir setzten uns alle auf den Boden, während Andy auf dem Bett platz nahm, auf dem Mel immer noch ungestört weiter nähte.„Als ich vorhin fort war...“, fing sie an, „da habe ich ihn gesehen. Ich kann es noch gar nicht glauben... ich habe ihn wirklich gesehen. Euch ist sicherlich aufgefallen, das ich während der Abfahrt verschwunden war. Ich habe gehört wie einer aus der Crew zum Steward sagte, das Mr. Andrews jetzt bereit wäre, sein Essen zu empfangen. Ich habe mich einfach an den Steward rangehängt und gehofft, das er mich zu ihm bringt.“ Wir alle saßen still auf den Boden und starrten sie an. Zumal ich immer noch nicht wusste, wer dieser Andrews überhaupt war. „Ja ich weiss, er ist verheiratet und hat ein Kind, aber vielleicht schreibt das die Zeitung ja auch nur so. Und ich wollte wenigstens sehen, ob er in Natur auch so gut ausschaut, wie auf den Bildern in der Zeitung.“ Jetzt wollte ich das genauer wissen: „Wer ist denn dieser Andrews überhaupt ? Und woher kennst du ihn ?“ „DIESER Andrews? Er heisst Thomas Andrews. Er arbeitet bei Harland & Wolff, eine Reederei. Er hat das Schiff konstruiert. Er kennt jeden Fleck auf diesem Riesen, er weiss einfach alles von ihm und er hat dieses Meisterwerk geschaffen. Das alleine ist schon Grund genug, ihn interessant zu finden. Und er sieht auch sehr nett aus....ich weiss noch, als ich das erste mal von ihm in der Zeitung las. Auch wenn ich ihn nicht kannte, was deine 2.Frage beantwortet Lowe, war er mir sehr nah und spürte ein Verbindung zwischen uns. Wie gerne würde auch ich so ein Werk bauen.“

Ahja. Jetzt war ich schlauer. Ich grinste sie an, dachte aber eigentlich das es mal wieder einer dieser typischen „Andy Phasen“ wäre. Ihr „oh der ist so toll“ würde sicherlich nicht lang reichen. „Und, wie ging es denn jetzt weiter?“ wollte Nadine wissen. „Ich hab mich einfach an diesen netten Steward gehängt und ihn bis zum Großen Saal verfolgt. Und der war wunderschön ...also der Saal. Eine riesige Kuppel und 1 große Treppe die von 2 Seite begehbar war und unten groß aufschloss. Feinstes Holz und absoluter Komfort. Mädels, das wäre das perfekte für uns gewesen. Na ja, jedenfalls bin ich diesem Steward bis dahin gefolgt. Dann stand ich plötzlich vor einer Tür auf der „Crew“ stand. Neben dieser Tür war eine Liste ausgehängt, in welchen Räumlichkeiten sich welche Herrschaften aufhielten. Und da stand: >>Thomas Andrews – A36 – Promenadendeck<< Also machte ich mich auf den Weg zum Promenadendeck und suchte die Kabine...! Und nach einer Weile suchen habe ich sie auch gefunden.“
„Jetzt sag nicht du bist da einfach hinein gegangen!!!“ sagte Anke. „Nein, bin ich nicht“, fuhr sie fort. „Obwohl ich es sehr gerne getan hätte. Ich schaute durch das kleine Fenster an der Seite. Er saß an einem Schreibtisch und notierte was in ein kleines Notizbuch. Er hatte einen kleinen Bleistift in der Hand, mit dem er sich ab und an durch die Haare fuhr. Er sah so gut aus. Plötzlich hörte ich Schritte und versteckte mich unter einer Treppe, die zur Brücke führte. Es war ein jüngerer Mann, das ich hörte ich an der Stimme. Als Andrews ihn herein bat, wandte ich mich wieder zum Fenster. Es war der junge Mann vom Pier, den Lowe begutachtet hatte.“ Mein Gesicht verzog sich und ich wurde etwas rot. Meine sie etwa den netten Herren mit dem merkwürdigen Koffer, der am Pier vor mir stehen blieb ? Ja, den meinte sie.

„Sie unterhielten sich eine ganze Weile. Leider konnte ich kaum etwas verstehen. Als der Herr die Tür öffnete um auszutreten, versteckte ich mich wieder und  hörte ich ihn sagen: „Okay, ich verspreche ihnen, es wird ihnen gefallen Mr. Andrews. Ich habe es extra für diese Überfahrt komponiert. Ich werde mich nach dem Dinner schleunigst in den Rauchsalon begeben und für sie spielen.“ Ich hörte wieder ein paar Schritte, die sicherlich Andrews gehörten und ihn sagen: „Vielen Dank, Mr. Hartley. Sollte ihnen währen der Überfahrt an was fehlen, lassen sie es mich doch bitte wissen.“ Der Herr, also Mr. Hartley, zupfte an seinem Hut und verließ die Kabine – A 36 !“